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Religionsfreiheit: Malaysia

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  • Christoph Marcinkowski

DOI:

https://doi.org/10.48604/ct.341

Keywords:

Malaysia, Religious freedom, Country report, human rights, ICCPR, Conversion, Censorship, Assembly ban, Death penalty, Minority, Islam, Sharia, Religious policy, Christianity, Bahaism, Jain, Taoism, Confucianism, Pentecostal church, Jewish community, Nature religion, Allah controversy, Sikhism, State religion, Multi-religion, Hinduism, Buddhism

Abstract

Malaysia verzeichnete in den letzten Jahrzehnten in Asien phänomenale wirtschaftliche Rekorde. 2011 war Malaysia die drittgrößte Volkswirtschaft von ASEAN und lag weltweit an 29. Stelle. 2013 war Malaysia weltweit unter den ersten zehn Ländern hinsichtlich der Touristen-Zahl. Geschuldet wird dieser Boom u.a. der Tatsache, dass Malaysia eine relativ offene und industrialisierte Marktwirtschaft darstellt. Dazu mag die derzeitige „Religionspolitik“, die oft nur als Vorwand für den Machterhalt einer (säkularen und im Westen ausgebildeten) Elite benutzt wird, nicht so recht passen. Langfristig kann sich das Gewähren lassen islamistischer Tendenzen im Lande verhängnisvoll auf die Zukunft des Landes auswirken – auch
und vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht.
Besonders zu beanstanden ist, dass Malaysia den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ (IPbpR) vom 16. Dezember 1966 immer noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert hat. Zu beanstanden ist außerdem die „Vermengung“ von Religion und Ethnie und das bewusste Schüren von Vorurteilen und Stereotypisierungen, besonders durch das staatlich kontrollierte Establishment im Lande. Bestes Beispiel dafür ist die bereits diskutierte „Allah-Kontroverse“. Diese „Vermengung“ verhindert bereits im Ansatz die Entstehung eines demokratischen Gemeinwesens und birgt deshalb für die Zukunft des Landes erheblichen sozialen und politischen Sprengstoff. [...]

References

Die Demographie von Malaysia ist hochkomplex und schwierig. Das Land Malaysia umfasst viele ethnische Gruppen neben den politisch dominierenden Malaien, die die Mehrheit ausmachen.

Der Ausdruck „Malaysier“ bezeichnet eine Person mit der Staatsbürgerschaft Malaysias, das Eigenschaftswort ist „malaysisch“. Der Ausdruck „Malaie“ dagegen bezeichnet die Zugehörigkeit zu einer spezifischen ethnischen Volksgruppe. Das Eigenschaftswort ist „malaiisch“. Zu den

Malaien gibt es in Malaysia eine Verfassungsdefinition: gemäß Artikel 160 der Malaysischen Verfassung sind sie Muslime. Diese Menschen werden, gemeinsam mit indigenen Völkern austronesischen Ursprungs (Kadazandusun, Dayak, Melanau und weiteren, hauptsächlich in Sabah und Sarawak lebenden Völkern, sowie den Orang Asli), Bumiputera genannt, „Söhne der Erde“.

Die indigenen Volksgruppen, die keine ethnischen Malaien sind, machen über 50 % der Bevölkerung Sarawaks und über 66 % der Bevölkerung Sabahs aus. Sie sind in Dutzende ethnischer Gruppen unterteilt, aber sie haben einige generelle Muster des Lebens und der Kultur gemeinsam. Bis ins 20. Jahrhundert praktizierten sie animistische Naturreligionen, aber die meisten sind inzwischen Christen oder Muslime.

Die zweitgrößte ethnische Gruppe sind Chinesen, die historisch eine wichtige Rolle spielen in Handel und Gewerbe. Ethnische Inder machen die drittgrößte ethnische Gruppe aus.Es gibt eine Minorität, die in der staatlichen Kategorisierung gruppiert und bekannt ist als „andere“. Diese schließt Malaysier ein, die (u. a.) europäischer Abkunft sind oder aus dem Nahen Osten stammen. Die Verteilung der Bevölkerung ist ungleichmäßig: mit ca. 20 Millionen Einwohnern konzentriert sich die Mehrheit im flächenmäßig kleinen Flachland der schmalen Halbinsel Malaya. Der Rest der Bevölkerung lebt verstreut auf Nord-Borneo in den malaysischen Bundesstaaten Sarawak und Sabah. Es gibt keine Übereinkunft über die ethnische Zugehörigkeit von Kindern ethnisch verschiedener Eltern. Einige Kinder wählen, der väterlichen Ethnie zuzugehören, während andere davon ausgehen, dass sie einfach in die Kategorie „andere“ fallen. Die Mehrheit wählt, sich als Malaie zu identifizieren, solange einer der Elternteile Malaie ist, hauptsächlich aufgrund der gesetzlichen Definition und Bevorzugung der „Bumiputera“. Kinder aus chinesisch-indischen Mischehen werden als „Chindians“ bezeichnet. Obwohl dies keine offizielle Kategorie im staatlichen Zensus ist, gibt es eine steigende Zahl insbesondere in städtischen Umfeldern. In Malakka lebt eine kleine Gemeinde von Nachfahren der portugiesischen Kolonialherren, die katholisch ist und eine alte Form des Portugiesischen spricht (nach eigenen Angaben können sie sich mit Brasilianern problemlos verständigen). In den Grenzgebieten zu Thailand gibt es buddhistische ethnische Thai, im Süden Thailands muslimische Malaien. Die Grenze liegt nicht in der Grenze der Siedlungsgebiete. Die einheimische Bevölkerung der Halbinsel Malaya sind als „Orang Asli“ bekannt, was wörtlich „ursprünglicher Mensch“ heißt und ein Sammelbegriff ist für eine Varietät von „ursprünglichen“ Menschen. Sie zählen ungefähr 60.000 Menschen. 60 Prozent von ihnen leben auf dem Lande und 40 Prozent im Umfeld von Städten. Sie waren die ersten Einwohner der Halbinsel Malaya. Die meisten von ihnen werden „Negritos“ genannt, sind mit den Bewohnern von Papua-Neuguinea verwandt und möglicherweise auch mit den Aborigines in Australien sowie Völkern in Ostafrika. Sie kamen vor ungefähr 8.000 Jahren auf die Halbinsel und lebten nomadisch. Die nächstgroße Gruppe sind die „Senoi“, die vor 6.000 bis 8.000 Jahren einwanderten. Sie ähneln Berglandstämmen in Kambodscha und Vietnam und sind Wanderbauern. Der Rest sind „Proto-Malaien“ von Sumatra, die vor ungefähr 4.000 Jahren einwanderten. Sie ähneln den Malaien. Viele von ihnen zogen in die Städte und wussten sich mit den Malaien per Heirat zu assimilieren.

Christoph Marcinkowski, Malaysia and the European Union: Perspectives for the Twenty-First Century (Freiburg Studies in Social Anthropology), Zürich 2011.

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Malaysia/Wirtschaft_node.html)

Siehe dazu die Studie von Meghann Ormond, Neoliberal Governance and International Medical Travel in Malaysia (Routledge Pacific Rim Geographies), London 2013.

Über die Verquickung von Islam und Ethnizität in Malaysia siehe Michael G. Peletz und James Piscatori, Islamic Modern: Religious Courts and Cultural Politics in Malaysia (Princeton Studies in Muslim Politics), Princeton 2002, und jetzt auch Daniel P.S. Goh, Race and Multiculturalism in

Malaysia and Singapore (Routledge Malaysian Studies Series), London 2012.

Siehe z.B. Christoph Marcinkowski, “Facets of Shi’ite Islam in Contemporary Southeast Asia (II): Malaysia and Singapore,” IDSS Working Paper no. 121, Singapur, Institute of Defence and Strategic Studies (December 2006), abrufbar unter http://www.rsis.edu.sg/publications/WorkingPapers/WP121.pdf.

Siehe zu dieser Entwicklung besonders Joseph Chin Yong Liow, Piety and Politics: Islamism in Contemporary Malaysia (Religion and Global Politics), Oxford 2009, und Julian C. H. Lee, Islamization and Activism in Malaysia, Singapore 2010.

Brian E., Colless, "The Traders of the Pearl. The Mercantile and Missionary Activities of Persian and Armenian Christians in South East-Asia", Abr-Nahrain IX (1969-70), S. 102–121; siehe auch Klaus Koschorke, „‘Ob er nun unter den Indern weilt oder unter den Chinesen …‘:

Die ostsyrisch-nestorianische „Kirche des Ostens als kontinentales Netzwerk im Asien der Vormoderne“, http://www.kg1.evtheol.uni-muenchen.de/forschung/projekte/weitere_projekte/koschorke_nest.pdf, aufgerufen am 12. August 2013.

Zur Geschichte der katholischen Kirche auf dem Gebiet des heutigen Malaysia siehe Maureen K. C. Chew, a.a.O., S. 49ff.

Umfassend behandelt in John Hilley, Malaysia: Mahathirism, Hegemony and the New Opposition (Politics in Contemporary Asia), London 2001.

Lina Joy wurde 1964 als Azlina Jailani in Malaysia als Kind muslimischer Eltern javanischer Abstammung geboren. Sie konvertierte im Alter von 26 Jahren. 1998 wurde sie getauft und beantragte bei malaysischen Gerichten die offizielle Anerkennung ihres Religionswechsels. Obwohl ihre Namensänderung 1999 anerkannt und ihre Ausweispapiere dementsprechend geändert wurden, blieb ihr Religionswechsel unberücksichtigt, da sie keine Bestätigung eines Scharia-Gerichts vorweisen konnte. 2006 klagte sie deshalb beim (säkularen) Bundesgerichtshof, unter Umgehung der islamischen Gerichtsbarkeit. Seitdem lebt sie fern von der Öffentlichkeit, wegen des um ihren „Fall“ entstandenen Medieninteresses.

Über diesen Aspekt und besonders über die beiden oft divergierenden Rechtssysteme in Malaysia siehe die Studie von Constance Chevallier-Govers, Shari’ah and Legal Pluralism in Malaysia (IAIS Monograph Series), Kuala Lumpur 2010.

Im Jahre 2005 erreichte der Fall der sogenannten „Sky-Kingdom”-Sekte internationale Aufmerksamkeit in den Medien. Ihr Gründer, der Malaie Ayah Pin, behauptete Gott zu sein. Die Mitglieder – zumeist Malaien – wurden der „religiösen Abweichung” angeklagt und beschuldigt, den Islam zu diffamieren. Im Mai 2001 entschied die Regierung, den „Falun Gong“ nicht als rechtliche Körperschaft zu registrieren. Diese Haltung wurde von Beobachtern jedoch eher damit in Zusammenhang gebracht, dass sich Kuala Lumpur mit China gutstellen wollte, wo die Sekte verboten ist. Jedenfalls konnten die Falun-Gong-Anhänger in Malaysia weiterhin ungehindert ihren Aktivitäten nachgehen.

Christoph Marcinkowski, Shi’ite Identities: Community and Culture in Changing Social Contexts (Freiburg Studies in Social Anthropology), Zürich 2010 S. 182-198

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2023-03-10